Evaluation der Chancen und Risiken von Contact-Tracing-Apps

Die elektronische Überwachung mit Contact-Tracing, wie im Artikel propagiert, ist dann sinnvoll, wenn folgende Fragen beantwortet werden können: Es gibt Personen, welche das Virus transmittieren, ohne selber krank zu sein, da funktioniert die Contact-Tracing-App wohl eher nicht. Sind das 10%, 20%, 50%? Wie viele Personen, welche andere infizieren können, werden mit der Contact-Tracing-App entdeckt? Ist sie als Test abhängig von der Basis-Reproduktionszahl R0? Und falls ja, in welchem Umfang? Wieviel Prozent der Bevölkerung muss mitmachen? Wie viele Personen, die mitmachen, werden von der Contact-Tracing-App eine Mitteilung erhalten, dass sie sich in der Nähe einer infizierten Person aufhielten? Und wie viele von diesen Personen haben sich dann tatsächlich infiziert? Sind es 10%, 50%, 99%? Wie viele Personen bleiben in der Folge unnötigerweise zu Hause, sind unnötigerweise verängstigt oder lassen sich unnötigerweise einen Rachenabstrich zu 200 Franken machen? Was ist der Effekt der Contact-Tracing-App auf die Basis-Reproduktionszahl? Wie viele Personen werden vermutlich dank der Contact-Tracing-App überleben? Wie ist das Verhältnis zum Effekt auf die Covid-19-Sterberaten der bisher erwähnten Variablen? Ab welchem Effekt auf die Sterberaten ist die Bevölkerung bereit, persönliche Daten preiszugeben? Wie ist der Tradeoff zwischen Contact-Tracing-App-Testeffekten und Datenschutz?

Als Diskussionsgrundlage haben wir ein kurzes Paper verfasst (https://www.docfind.ch/VEMSEvaluati…ngApps.pdf) und stellen einen Rechner zur Verfügung, wo interessierte Personen Effekte einer Tracing-App selber anhand der Variierung des Inputs feststellen können (http://docfind.ch/COVIDAPPBayes.xlsx).

Zum Schluss noch unsere Meinung: die Trefferquote des Nachverfolgens von Kontakten infizierter Personen ist viel höher als mit einer APP, welche einen positiv prädiktiven Wert von rund 2% hat und damit sehr gering ist. Die Tracing-APP ist eine billige Variante des Nachverfolgens und unserer Meinung nach zu billig. Es gibt aktuell genug Personen, die den Kantonen helfen könnten, die Nachverfolgung von potentiell infizierten Personen zu verbessern und auf einen quantitativen Level zu bringen, von welchem in der Epidemiologie schon lange bekannt ist, dass er sehr effektiv ist (HIV Epidemie San Francisco z.B.). Die Tracing-APP ist ein experimentelles Tool. Ist jetzt Zeit für Experimente?

Daraus ergibt sich die wissenschaftliche Fragestellung für das Experiment Tracing-APP: Goldstandard ist die Nachverfolgung von Kontakten infizierter Personen gemäss den Angaben der infizierten Personen. Wie gut detektiert die Tracing-APP diese Personen?