Qualität oder Betrug, das ist die Frage

Qualität oder Betrug, das ist die Frage

Michel Romanens   l   Juli 2023:

Qualität in der Medizin ist einfach messbar, schlechte Qualität rasch erkennbar und somit sind Qualitätskontrollen ein unabdingbares Instrument zur Verbesserung der Medizin. Wirklich? Geht man etwas in die Literatur, wird die Messbarkeit der Qualität in der Medizin zerstört. Man kann zwar mit Audits schauen, ob ein Indikationsentscheid korrekt war (was man vermehrt tun sollte (1)). Das Problem ist nicht die Qualität nach objektiven Kriterien, sondern der Wert der medizinischen Leistung auf individueller, technischer, zuordnungskorrekter und gesellschaftlicher Ebene (2). Entscheidungen für oder wider eine medizinische Indikation sind zahlreichen Einflüssen ausgesetzt, die monomodale Beurteilung der Qualität dieser Entscheide z.B. basierend auf Evidence Based Medicine (3–7) ist in einer multimodalen Entscheidungsumgebung deplatziert. Das ordentliche Funktionieren der Medizin ergibt sich aus der auftragsrechtlich korrekt durchgeführten Interaktion zwischen Arzt und Patient. Dieses System beruht auf dem Vertrauensprinzip. Die Kosten für die Evaluation multimodaler Entscheidungsqualitäten sind vermutlich enorm, da der Aufwand korrekter Messung von beeinflussenden Variablen schon nur wegen der zahlreichen Variablen, welche Indikationsentscheide beeinflussen, immens ist, das Mislabeling Potential und damit die Zerstörung medizinisch wertvoller Tätigkeiten ist enorm.

Der Wunsch der Versicherer und der Politik, mit Qualitätskontrollen Kosten zu sparen, ist mit einem irrsinnigen finanziellen Aufwand verbunden und am Ende steigen die Kosten. Der Frust der Ärztinnen und Ärzte nimmt zu, die Versorgungssicherheit nimmt ab.

Es gibt allerdings Dinge in der Medizin, die man lieber nicht zu sollte. In den Guidelines sind diese unter den Klasse III Empfehlungen definiert und festgemacht. Wer trotzdem Klasse III Empfehlungen durchführt, betrügt.

Anstelle von Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitskontrollen benötigen wir Betrugskontrollen in der Medizin. Beispiel: Augenlinse wird ausgewechselt ohne Katarakt.

Selbstverständlich gibt es auch hier Grauzonenbereiche. Es ist Sache der Gerichte, auf Anzeigen hin Betrug aufzudecken und zu ahnden. Die Qualitätskontrollen der Versicherer, die Vergleichsforschung zu den Indikationen (interkantonale Häufigkeit von Eingriffen ecc) können wir uns getrost ersparen. Gewinn wohl mehrere hundert Millionen Franken pro Jahr, massiver Abbau der extramuralen Controlling-Aktivitäten.

Seit jeher hat die Medizin ihre Qualität durch interne Kontrollen verbessert. Auch heute noch funktioniert diese, wir können darauf vertrauen. Externe Kontrollen und die santésuisse Wirtschaftlichkeitsverfahren sind unnütz, verletzen die WZW Regel und zerstören die Reputation des Gesundheitswesens ohne Qualitätsverbesserung.

Literatur

1.          Romanens M. “Flat Rate Monitoring Swiss Flat Rates and Monitoring of Coronary Hospital Performances on Behalf of Serial Sentinel, Census, and Appropriateness Measurements Discussions and Recommendations of the ad hoc Taskforce “audits in medicine” Corresponding author 2010. https://www.physicianprofiling.ch/FlatRateControl1.pdf

2.          appropriate_024_valuebasedhealthcare_en_0 n.d. https://health.ec.europa.eu/system/files/2019-11/024_valuebasedhealthcare_en_0.pdf

3.          Bouëtté A., Karoussou-Schreiner A., Ducou Le Pointe H., et al. National audit on the appropriateness of CT and MRI examinations in Luxembourg. Insights Imaging 2019;10(1):1–12. Doi: 10.1186/S13244-019-0731-9/FIGURES/6.

4.          Snooks H., Peconi J., Munro J., Cheung WY., Rance J., Williams A. An evaluation of the appropriateness of advice and healthcare contacts made following calls to NHS Direct Wales. BMC Health Serv Res 2009. Doi: 10.1186/1472-6963-9-178.

5.          McCleary N., Ramsay CR., Francis JJ., Campbell MK., Allan J. Perceived difficulty and appropriateness of decision making by General Practitioners: A systematic review of scenario studies. BMC Health Serv Res 2014. Doi: 10.1186/s12913-014-0621-2.

6.          Walther F., Eberlein-Gonska M., Hoffmann R-T., Schmitt J., Blum SFU. CRITICAL REVIEW Open Access Measuring appropriateness of diagnostic imaging: a scoping review n.d. Doi: 10.1186/s13244-023-01409-6.

7.          Id C., Pm H., Gw R., Lj H., Rd H., Team C. THE CHALLENGE OF DETERMINING APPROPRIATE CARE IN THE ERA OF PATIENT-CENTERED CARE AND RISING HEALTH CARE COSTS n.d. Doi: 10.1177/1355819618815521.